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Interview Felix Wasmuth mit dem Fotografen Wolfgang Sievers

Interview Wolfgang Sievers mit Felix Wasmuth

WS: Soll ich sagen wer ich bin?

FW: Ja na klar.

WS: Also ich bin Wolfgang Sievers, der Sohn von Prof. Dr. Johannes Sievers, der im Auswärtigen Amt von 1918 bis 1933 die Kulturabteilung leitete und er war ursprünglich Museumsmann, Kunstwissenschaftler und nach 1933 fing er sofort an die ersten vier Bände über das Werk von Karl Friedrich Schinkel zu schreiben. Meine Urgroßeltern oder -vater war Tischlermeister, waren Tischlermeister und Hofdekorateure für Schinkel und auch später noch für am preußischen Hof gewesen. Sodass ich also Architekturaufnahmen für meinen Vater vom Palais Kaiser Wilhelm I. Und anderen Bauten für diese Bände gemacht habe.
1933 wollte ich Archäologie studieren und fand aber heraus, dass ich einen jüdischen Großvater hatte und ich konnte schon, ich war sehr am fotografieren interessiert und machte, nachdem ich einen christlichen Arbeitsdienst verbracht hatte, ging ich für ungefähr drei Monate zur “Contempora – Lehranstalt für angewandte Kunst” in Berlin, Emser Str. 44, um schnell so viel wie möglich über Fotografie zu lernen, oder mehr zu lernen. Ich wanderte dann nach Portugal aus, kehrte aber zurück, weil ich nicht genug gelernt hatte und ging sofort zurück zur “Contempora”.
Nun, diese “Contempora” war eine einzigartige Schule. Sie war unter der Leitung vom Erich, die fotografische Abteilung in der Emser Strasse 44 oben am obersten Stockwerk, war unter Leitung von Erich Balg. Das war einer der großartigsten Menschen, die ich je getroffen habe, ich meine nicht vom menschlichen Standpunkt, trotzdem er uns unglaublich geholfen hat, sondern vom fotografischen und das meiste was ich in meinem Leben als Fotograf, und ziemlich erfolgreicher Fotograf erreicht habe ist Dank von Erich Balg.
Er kam zur, er war Fotograf bei der berühmten Fotofirma, na ... Fotoatelier Binder am Kurfürstendamm. Ich glaube die machten hauptsächlich Porträts, soviel ich weiss. Und dann wurde ihm diese Stellung angeboten. Die Schule selbst war ein unoffizieller Nachkomme der schon von den Nazis verbotenen Bauhausschule, das heisst also dass einige der Lehrer kamen vom Bauhaus, wie zum Beispiel der Prof. Arpke und solche und noch andere. Aber nicht Erich Balg, der kam direkt von Binder und er nahm diese Stellung als Lehrer an unter einer ganz großartigen und sehr erfolgreichen Bedingung. Und zwar war es die, dass die Schule fing um 9 Uhr an glaube ich und dann, hörte um 1 Uhr auf. Und er nahm die Stellung an unter der Bedingung, dass von 2 Uhr an er dasselbe Atelier für sich selbst benutzen konnte. Die Schüler der Schule waren sehr gemischt. Die meisten mussten Deutschland verlassen, also es waren Juden, junge Juden, alte Juden und es waren auch ein paar deutsche dabei, die politisch gegen die Nazis waren, wie zum Beispiel die Tochter vom Admiral Scheer (?), die immer sehr nette ältere Dame, die wir immer “Scheerchen” nannten, die immer in dem Zimmer saß und retuschierte. Das war ungefähr soweit, wie sie es schaffen konnte. Da waren auch Homosexuelle, die ab und zu verschwanden, Das war 1935/36. Da wurden die noch nicht ermordet. Dann kehrten sie zurück, nachdem sie ein bisschen zusammengeschlagen waren und dann fingen wieder weiter an. Zum Beispiel wir hatten einen jüdischen Richter, Oberrichter, der war schon so um 60 Jahre alt und da er Jurist war, war es für ihn sehr schwer so um die … , er konnte natürlich nicht im Ausland als Jurist tätig sein. Und er versuchte Fotografie zu lernen. Aber er war, es war sehr schwierig und da sagte der Erich Balg zu ihm , also wir warden… oder er sagte uns, vielleicht nicht dem Mann selber, der eben Dr. Karle war, er sollte lernen wie man Reproduktionen macht von Bildern. Das ist ungefähr das einfachste, was man lernen kann. Das andere konnte er einfach nicht. Das lernte er. Dann wanderte er nach England aus und die Folge war, dass er die ganze Sammlung der Königin Windsor Castle, ist das Lucas Cranach oder verwechsel ich das jetzt, aber die berühmte Sammlung von dem deutschen Maler mittelalterlichen Maler, das ist das Alter, wenn man die Namen vergisst. Ich glaube es ist nicht Cranach.

FW: Ist es Dürer?
WS: Nein nicht Dürer. Er lernte Reproduktionen zu machen. Ich habe ihn noch in England besucht und es ging ihm ausgezeichnet. Und alle diese Bände kamen heraus, die er, Fotografien, die er gemacht hatte.
Sonst also, ich war da erst Schüler und dann wurde ich zweiter Assistent und dann erster Assistent. Und zwar war es, erstes Mal weil ich vielleicht genug begabt war, aber auch weil ich so schnell und so viel wie möglich arbeiten wollte. Wir hatten übrigens auch ausländische Studenten, die reich waren und die nur so zum Vergnügen kamen und die machten ein bisschen Schule und dann gingen sie wieder nach Hause. Dann gingen sie sich amüsieren auf dem Kurfürstendamm, das war ja nicht weit davon. Ich erinnere mich, wir hatten den Sohn eines ägyptischen Prime-Ministers oder irgendso etwas ähnlichem und mit dem konnten wir immer essen gehen und der bezahlte für alle. Es war herrlich. Ein guter Freund von uns... aus diesem Grunde.
Aber, ... jetzt muss ich aufpassen, wie ich dann weitermache. Die unglaubliche Sache, die Erich Balg da fertigbrachte war, dass … es gab überhaupt keine Theorie. Da war nämlich keine Zeit dazu. Es war die einzige Schule, von der ich je gehört habe, wo Leute wirklich in kürzester Zeit ausgebildet wurden, werden mussten, weil die Gefahr... sie alle in Lebensgefahr waren. Und Erich Balg verstand das so gut, dass er, … zum Beispiel kam mal ein Mädchen, die war sehr begabt, war aber politisch verwickelt und wollte nach Südafrika. Er erlaubte ihr nicht einmal in die Dunkelkammer zu gehen. Er sagte, du lernst so schnell wie möglich wie man Fotografien wirklich gut macht und dann haust du ab, denn du kannst genug Kräfte finden, die für dich arbeiten. Hausptsache du weisst … Also das war der Erich Balg, mit einer unglaublichen Energie. Also dann arbeiteten wir eben nach Schulende, so Leute wie ich mit ihm und wir kamen im Allgemeinen so um 10 Uhr nachts oder Mitternacht nach Hause. Was meinen Vater sehr aufregte und er mochte überhaupt nicht, dass ich so lange arbeite, weil er Angst hatte, dass ich festgenommen würde. Aber so war diese äußerst interessante Schule und er, das kann er … er arbeitete, Erich Balg arbeitete besonders damals für Zigarettenfirmen, ich weiss nicht ob das Reemstma war, ich kann mich nicht genau entsinnen..

FW: Kyriasi?

WS: … oder ob das Moriatti waren, ich glaube, ich weiss aber nicht genau und dann aber auch für Strumpffirmen und sehr viel für Badeanzüge, also er … so Modesachen. Er verschwand dann manchmal so für einen Monat und ging nach Sizilien mit Modellen und fotgrafierte da. In der Zeit war ich dann schon erster Assistent und übernahm so die Schule mehr oder weniger. Die andere Assistentin war übrigens Lore Müller, die auch heute noch, entweder in Hamburg oder in Bayern irgendwo lebt.
Was kann ich noch erzählen?

FW: Zum Beispiel hätte ich jetzt gefragt, ob er auch... habt ihr Fotos gemacht für Zeitschriften, also wurde... Reportagen, gab es so was? Wurde auch … Porträtfotografie … gabs das auch … ich hole mir mal einen Zettel und einen Stift, dann kann ich mir auch mal Fragen aufschreiben.

WS: Ich weiss schon weiter...

FW: Ja?

WS: Also er war ein unglaublich begabter Fotograf , aber eben in der Hauptsache mit Porträts und Modefotografien. Zum Beispiel möchte ich dir eine paar seiner Fotografien geben... das war ganz typisch für Erich Balg. Also das war... ich weiss aber nicht, ob das für eine … für die Schuhfirma war oder für die Strümpfe. Ich glaube es muss für die Schuhfirma gewesen sein. Ich kann dir aber nicht den Namen sagen, das wurde also so zwischen 1936/37 gemacht worden sein. Dann kommt noch etwas anderes. Er hatte ein unglaubliches Talent elegante Aufnahmen zu machen, von denen ihr selber scheinbar nichts wisst. Eine der großen Fähigkeiten, die er hatte war die richtigen Modelle zu finden. Das ist nämlich die Hauptsache für jemanden, der Modefotografie macht oder irgendsowas. Das Gefühl zu haben oder das Talent zu haben, diese Leute also diese Frauen zu finden.

FW: Wie ging das damals, wie hat man da gesucht? Gab es so wie heute Agenturen? Oder …

WS: Ich weiss nicht, ob er die gekannt hatte oder was. Es waren im allgemeinen sehr interessante Damen. Ich kann mich nur so an zwei oder drei entsinnen. Eine war glaube ich … ich weiss nicht ob die eine von Seeckt war oder so was, aber ich habe ein Bild hier. Das ist eine Aufnahme, die dein Vater gemacht hat, die dein Großvater gemacht hat, von der Du erkennen wirst, was ich meine, was wirklich großartige Fotografien sind. Nicht wahr? Das ist etwas … eine ganz andere Sache. Wenn Du dahin siehst, kannst du sehen, dass es seine eigene Fotografie ist. Nicht wahr? Manchmal … hier ist ein falscher Stempel drauf, das dann korrigiert worden. Weil jemand in meinem Atelier hat nicht gewußt, wer das gemacht hat. Dann hat er eben auch wirklich großartige Porträts gemacht. Und ich hoffe, dass einige dieser Aufnahmen, die jetzt euch schenken will, euch mal zeigen, wer euer Großvater eigentlich gewesen ist. Also nicht einer von tausend anderen Fotografen, sondern ein ganz großartiger. Zum Beispiel das hier. Also da wäre Louis Trencker. Und da ist der, dein Großvater nach Italien gefahren. Irgendwo in Umbrien, da wurde ein Film gedreht von mittelalterlichen Rittern und da hat er diese Aufnahme gemacht und auch die von einem seiner Landsknechte oder was das war mit der aufgeklebten Verwundung da. Also ich hoffe du kannst sehen davon, dass er nicht ein normaler Fotograf war, sondern ein … ein Genie und ich kann dir auch zeigen, das unter seiner Leitung habe ich Aufnahmen gemacht, die berühmt geworden sind. Das ist aber unter seiner Leitung, nicht?

FW: Ja

WS: … und ich zeige Dir jetzt wie das aussieht.

FW: Die kriegen wir geschenkt? Vielen Dank.

WS: Ich finde das besonders wichtig, das ihr die habt, Das ihr mal seht, was das für ein Mann gewesen ist. Weil … das ist fotografisch und mit einem Auge gesehen, das ganz großartig ist. Hier sind noch ein paar Aufnahmen, die ich unter seiner Leitung gemacht habe … das habe ich natürlich allein gemacht, aber da hat er mich weggeschickt sagt, also du mach mal Aufnahmen von der Armut in Berlin. Und das ist eine ziemlich berühmte Aufnahme geworden. Das war aber schon, als ich in der “Contempora” unter seiner Leitung zuerst arbeiten durfte. Und dann ging ich nach Portugal … das brauchen wir nicht zeigen … da machte ich Architekturaufnahmen für meinen Vater … Karl Friedrich Schinkels Bauten, das Palais Kaiser Wilhelms I. … und das war natürlich mit … nachdem ich von Erich Balg gelernt hatte, wie man Architekturaufnahmen macht. Mit einer großen … wir hatten alles amerikanische Sachen. Eine Kodak Eastman View, Halfplate... ich glaube ja … Halfplate Camera, 13 x 18 ungefähr, nicht wahr. Die habe ich auf seinen Rat gekauft, denn Kodak hatte alles Material in diesem Atelier wahrscheinlich umsonst gegeben, sodass die Schüler … alle Filme waren Kodak, nicht Platten, Filme. Das waren wo Du herkommst , dass Glasplatten zerstört waren, das ist mir ein Wunder. Ich habe nie eine Glasplatte gesehen. Abgesehen von derTatsache, dass dein Vater, Großvater war einer der ersten, die Farbaufnahmen machten für Werbezwecke. Wahrscheinlich war das für Parfum oder so Haarfrauensachen...

FW: Ich glaube, es gibt so einen Lavendel …

WS: Ja irgendso etwas ähnliches. Und er schaffte sich dann eine Kamera an, die speziell dafür gebaut war. Sie hieß Bernpohl. B e r n p o h l. Das war eine Kamera, das hatte glaube ich eine Linse und drei verschiedene Platten. Mit Filtern. Und das wurde dann .. also eine Aufnahme gemacht und das ging dann zur Druckerei und die konnten daraus einen Farbdruck machen. Aber ich meine, die technsiche Seite kann dir andere Leute erklären. Sodass er er also einer der ersten war, der Werbeaufnahmen für … Farbaufnahmen. Das wurde so 1936/37 gewesen sein. Also ganz großartige Sache. Und ich glaube vielleicht doch, dass er der erste war, der das genutzt hat zu diesem Zeitpunkt. Also diese Architekturaufnahmen, das ist typisch gelernt von Erich Balg, wie man das machte. Abgesehen davon, das ich auch Erich Mendelsohn traf, der mir auch gezeigt aht, wie man ... Das sind auch Aufnahmen, die unter deinem Großvater gemacht worden sind. Und das unter seiner Leitung. Das waren Strümpfe. Da hab ich noch wochenlang … Heute wird das alles mit digital gemacht, aber damals musste … also er fand Beine, die so … die sind nicht schön eigentlich, aber elegant. Die mussten ganz lang sein und sehr dünn und er hat dieses unglaubliche Talent gehabt, die richtigen Leute zu finden.

FW: Ja.

WS: Ja das ist Aaustralien. Die Bauhausideen, die ich dann angewandt habe, die ich in der “Contempora” gelernt hatte. Und als ich dann nach Australien kam, war die Architektur so grauenhaft, dass ich anstatt dessen Architektur in der Industrie fand. Da ist so eine Aufnahme hier … das ist … anstatt Gebäude zu machen fand ich das …

FW: Sehr schön.

WS: … nicht? Architektur in Industrien. Und auch die Bauhausideen auf der … die Würde des Menschen in der Industrie. Nicht wahr? Also ein einfacher Mensch, was er auch immer sei... nicht wahr? Diese Würde, das ist eine besondere Aufnahme, die ich dir zeigen will … das ist zum Beispiel interessant, da wir über die Würde des Menschen sprechen. Diese Aufnahme … nicht wahr? Da ist der Mensch, der diese Taue da herstellt. Das ist überings eine römische, die Römer haben genau dieselbe Methode gehabt, diese Taue herzustellen. Und dann zum Beispiel solche Sachen. Das ist alles 100 Prozent technisch unrichtig. Das ist alles oben im Kopf erfunden. Das hat der Erich Balg uns gelehrt. Zu sehen, lernen zu sehen udn wie man das eigentlich wirklich so macht und in die Wirklichkeit zu setzen, in Farbe. Hier ist zum Beispiel die Architektur. Das ist hier ein schönes Haus, das ein Tscheche gemacht hat in Australien. Das ist überings komisch, das waren so Häuser 1850, die von Schottland in Teilen importiert wurden für arme Arbeiter. Heute sind die leider alle weg.
Also ist es jedenfalls nur um zu sagen, wieviel dieser Mann getan hat. Und da gabs auch noch andere Leute, die berühmt geworden sind, nein nicht berühmt aber berühmt sagen wir zum Beispiel da ist eine Briefmarke mit meinem Namen drauf, eine australische Briefmarke, um die 150 Jahre der Fotografie zu feiern. Und solche Sachen... nicht wahr? Und, aber in jedem … ich vergesse niemals zu erwähnen, was ich von dem Mann gelernt habe und diese unglaubliche Schule. Also wenn ich heute sehe, in technischen Schulen in Australien Leute Fotografie, die lernen das für 4 oder 5 Jahre, da ist Theorie, da ist Geschichte von England und irgendso ein Kram, das überhaupt nichts damit zu tun. Also Mnsch, was man nicht in einem Jahr lernen kann in Fotografie, das ist es nicht wert, aber da muss konzentriert sein. Das habe ich von dem Erich Balg gelernt. Wie man das wirklich macht.

FW: Wie hat er denn so unterrichtet, also wenn zum Beispiel, gab es so Übungen?

WS: Gar nicht unterrichtet. Unglaublich.

FW: Oder hat er morgens gesagt es geht los und macht Fotos...

WS: Ja genau. Wir haben Rollei-Kameras gehabt und du durftest nur einen oder höchstens zwei Filme mitnehmen, also nicht mehr als 20 Aufnahmen. Nicht so 100 oder so, einfach losschiessen, sondern raus, geh und fotografier was. Und dann kamen die zurück und wir sahen uns die an und er sah sich die an und sagte, das ist ja furchtbar und du musst das besser sehen und jetzt geh nochmal los und mach nochmal. Also das war ein Teil und der andere war, dass er … er hatte zum Beispiel ich erinnere mich daran, er hatte eine Gipsfigur, ein Kopf eines Mannes und der wurde hingestellt und die Schüler mussten das fotografieren. Aber mit richtigem Licht und so, nicht einfach so knipsen und lernen wie man einen Körper beleuchtet. Und zwar, je einfacher umso besser. Starkes Seitenlicht und ein bisschen von vorne und so weiter. Und ich meine, er hatte auch Schüler gehabt, es waren auch Schüler da, die völlig unbegabt waren, oder wo er nur … wir haben Ausländer gehabt die sich eben nur amüsieren wollten. Ich rinnere mich noch, wir hatten einen Argentinier, der hat immer Mädchen fotografiert, die Bananen essen mussten, um so einen … anstatt eine Clintonsache zu machen... das war die selbe Geschichte. Da haben wir so darüber gelacht und die Schule hat sich natürlich darüber gefreut. Es war zusätzliches Einkommen. Aber sonst waren die Sache … Ja was ich erwähnen muss, wir hatten einmal einen Schüler der war ein ganz reiner Deutscher…lacht…ganz normal. Und der ging eines Tages zu Erich Balg und sagte zu ihm, er möchte doch mal gerne wissen, wie diese Linse von dem Apparat zusammengesetzt ist. Und der Erich sagte daraufhin, schnauzte ihn einfach an: “Mensch kauf Dir ein Buch und lies das, wenn Du wirklich wissen willst , woraus das besteht. Wir haben keine Zeit für solchen Unsinn.” Also es gab überhaupt keine Theorie, nur praktische Arbeit.

FW: Und wenn meinetwegen, wenn ihr fotografiert habt über den Tag und dann wurden die Bilder besprochen. Wie lief denn so eine Kritik ab, also worauf hat er dann geachtet?

WS: Er hat in der Hauptsache darauf geachtet, ob du deinen Kopf genutzt hast und was anständiges gemacht hast. Natürlich musste es technisch gut sein. Ich meine, wir hatten die Dunkelkammer da, alles mit den besten Sachen, die man haben konnte. Er war sehr scharf und das war ja seine große Sache, dass er, wenn … du wirst das nicht wissen, ich weiss zum Beispiel von den technischen Hochschulen in Australien, dass die meisten Fotografielehrer, von denen es sehr viele gibt, sind Lehrer weil sie nämlich nciht genug Talent haben, um Fotografen zu sein. Weisst Du was ich meine?

FW: Ja.

WS: Es ist besser für sie einfach einen wöchentlichen Lohn zu bekommen, als sich zu wagen, sich selbständig zu machen. Das sind sie nämlich. Aber der Erich Balg war genau das Gegenteil. Er nahm es eben an, weil er ein ganz modernes Atelier zu seiner Verfügung hatte. Und von den Schülern die talentiertesten aussuchen konnte und dagen konnte: “ Du komm jetzt mit wenn Du willst und arbeite mit mir. ”
Und das habe ich eben bis 19... für drei Jahre gemacht. Erst als Schüler, dann als zweiter Assistent und dann als erster Assistent und Lehrer. Das war großartig.

FW: Die Schule, die “Contempora” überhaupt, was für Abteilungen gab es denn noch? Es gab Fotografie...

WS: … Fotografie war die größte Abteilung. Es gab Mode, es gab sogar Schneiderei glaube ich und Architektur.

FW: Und wer hat da unterrichtet? Bei …

WS: Arpke war Gebrauchs... Prof. Arpke war Design. Architektur war ein anderer. Pinner oder so was ähnliches.

FW: Genau, Cäsar Pinnau.

WS: So was ähnliches....

FW: Peter Pinnau ist berühmter Architekt dann in Hamburg gewesen, später.

WS: Das wäre möglich. Hört sich so an. Und dann war eine nebensächliche Frau, die machte so irgendwas anderes, so Handarbeitssachen oder so was. Und dann war noch Mode, wo meine spätere Frau war. Und die lernte Mode zeichnen, also Theater … Kostümzeichnugen.
Und natürlich, wir waren ja nur vielleicht so 20 oder dreißig Schüler, sodass jeder individuell behandelt werde konnte.

FW: Und lernte man auch … meinetwegen die Fotografieschüler, gingen die auch zur Architektur und lernten da auch was? Oder war das schon getrennt. Dass die Abteilungen …

WS: Die waren eigentlich getrennt. Das einzige wo wir zusammen kamen war, wir mussten Akt zeichnen. Ein Gebiet, in dem ich völlig unbegabt war. Trotzdem meine Vorväter Maler waren, habe ich keinerlei Talent. Ich kann nicht einmal eine Maus malen. Also das war eine Katastrophe, was mich betrifft. Das hat aber keine schlechten Folgen für mich. Das war das einzige Gebiet, wo alle Abteilungen zusammen sein sollten und das machen… Was noch?

FW: Zum Beispiel, den Zusammenhang von “Contempora” mit dem Bauhaus? Das Bauhaus hat sich 36 ja aufgelöst in Berlin. Und sind denn auch Schüler vom Bauhaus zur “Contempora” gekommen?

WS: Das weiss ich eigentlich nicht. Aber die Bauhausschule war doch schon 33 zugemacht worden?

FW: In Dessau. Dann war sie noch kurz in Berlin. Mies van der Rohe in einer Fabrikhale, das war nicht mehr viel. Und die hörte ja 1936 auf. Und da waren ja auch einige Schüler, die dann nciht das Land sofort verlassen haben. Oder auch gar nciht verlassen haben. Ist es möglich, dass von diesen Schülern dann auch vielleicht zur “Contempora” gekommen sind.

WS: Ja … Ja … genau. Aber du musst auch nicht vergessen, dass viele der Lehrer oder der Leute in der Bauhausbewegung waren nicht Deutsche. Das waren Russen, das waren Juden und das waren Ungarn, was nur alles nach Berlin in diesen unglaublichen Jahren, der spätzwanziger Jahren hereinkam und das für eine Reihe von vielleicht 6 oder 8 oder 10 Jahren … Berlin war das kulturelle Zentrum der Welt. Ohne Zweifel. Ich meine, durch meinen Vater habe ich , war ich glücklich das zu erleben, weil er Karten für alles frei bekam und jedes Museum, jede Oper, jedes Konzert konnten wir hingehen. Wunderbar. Das war diese ganze Atmosphäre in der “Contempora”. Das war alles da und es waren natürlich auch die Schüler … viele Schüler kamen aus denselben Familien wie wir. Was noch?

FW: Zum Beispiel Mendelsohn, den kannte er auch?

WS: Nein. Das kam durch meinen Vater. Er war ein Freund vom Vater. Das kam nicht von Erich Balg. Aber es ist irgendwie etwas höchst merkwürdiges, was mit ihm psychologisch geschehen sein soll … geschehen sein muss. Ob das der Krieg war oder was, aber … ich meine für mich ist er für mein ganzes Leben lang das unglaubliche Vorbild gewesen. Von dem ich wirklich das meiste, abgesehen von meinem Vater, von dem habe ich fotografisch das meiste gelernt. Warum spricht denn keiner davon? Wissen sie, also vor vielen Jahren war ich mal hier in Berlin und wollte, das ich eine Pension kriege, weil ich, wie man das offiziell nennt ein Ofer der Nationalsozialischen Verfolgung bin. Und dann bin ich zu der zuständigen Stelle in Berlin gegangen, ich habe vergessen wo das war, und da sagte ich , dass ich Schüler in der “Contempora” unter Erich Balg gewesen sei und ich hatte sogar auch glücklicherweise dieses Zeugnis, das der Erich Balg unterschrieben hatte und noch ein anderes udn die sagten mir, die Schule hat nie existiert. Ich sagte, aber bitteschön... hier ist doch das Zeugnis … nein, wir haben die in unseren Archiven überhaupt nicht. Die gibts nicht. Und dann kam ich eine Woche später hin, ich weiss icht aus welchem Grunde, und sie sagten ja, wir habens gefunden. Es stimmt es war da und ich glaube es bestand bis ungefähr 1940 oder 42 oder so was ähnliches. Also sie gaben es zu dann. Sie konnten es doch nicht verleugnen? Ich sagte: Kinder, sogar das Haus ist noch da in der Emser Str. 44. Aber die Sache mit dem Erich Balg wird wir für immer ein Rätsel sein.

[Ende Band 1]

[Beginn Band 2]

FW: Hatte er einen Namen? Hatte er nur Aufträge hier in Deutschland gehabt oder auch woanders?

WS: Nein nicht woanders.

FW: Nur in Deutschland?

WS: Ja aber das gab es vielleicht damals nciht so. Also ich bin um die ganze Welt gereist, um Aufträge zu machen, aber das war eine andere Zeit. Das kann man nicht vergleichen. Er hat im Ausland gearbeitet, aber für deutsche Firmen. Und er war eben der Cheffotograf für das Atelier Binder. Aber nicht Herr Balg. Er war der Cheffotograf. Und dann wurde er der Chef der Schule. Und hat das auch nie vorgetragen. Zu der Zeit geschah das auch gar nicht so. Also heute würde das ganz anders sein.

FW: Man arbeitete nicht so mit seinem Namen?

WS: Nein. Das komische ist mir passiert. Ich weiss nicht ob das hier dazugehört, aber ich war mit dem Helmut Newton befreundet. Der kommt auch aus Berlin. Und wir waren zusammen … wir hatten die erste Ausstellung moderner Fotografie in Melbourne zusammen. 1952. Und als ich hier vor ungefähr, es muss 1992 gewesen sein, hörte ich im Radio, da war ein Interview, er wurde gefragt: Sagen sie mal Herr Newton, warum hat ihnen eigentlich die Bundesregierung das Bundesverdienstkreuz übergeben? Und da kam seine wunderbare Antwort: Keene Ahnung. Das war so echt, der hat für meines Wissens nie etwas mit deutscher Kultur oder Deutschland … nur weil er als Modefotograf und Porno … diese amerikanische Sache, berühmt geworden ist. Ausgezeichneter Fotograf. Nicht als ich ihn kannte... wurde er. Aber das ist eine andere Geschichte. So was noch? Fehlt noch was?

FW: Die Badeanzüge zum Beispiel – für was für eine Firma das war? Ob man in den Archiven vielleicht noch einmal fragen kann.

WS: Da müsste man zeitungen von 1936 / 37 / 38 ansehen. Da würde man sie finden. Also illustrierte Zeitungen. Anzeigen. Es waren badeanzüge, die er in Sizilien, natürlich mit den Mädchen aufgenommen hatte.

FW: Konnte man in der Zeitung noch erkennen, dass sie von der “Contempora”...

WS: Nein. Keine Ahnung. Das gabs damals nie. Nein. Niemals den Namen. Völlig neutral. Das war grauenhaft. Da gabs überings, lebte im Atelier, da war ein kleines Atelier oben zwischen der Schule, auf dem selben Stockwerk und Erich Balgs Wohnung, er war 45, und dazwischen war noch eine kleinere Wohnung udn da war ein grafischer Künstler, der hiess glaube ich Biedermann, der verrückt auf Frauen war. Abgesehen davon war er aber, der hatte immer zwei auf einmal, was wir durch die Wände hören konnten vom Atelier. Aber er war ein sehr guter grafischer Künstler und der machte auch zusammen mit dem Erich Balg Aufträge. Das heisst also, da haben Fotografen und (...?undeutlich...) zusammen mit dem Erich Balg und unmgekehrt. Aber das einzige was ich euch raten könnte ist doch mal zu versuchen die Lore Müller auszuquetschen. Vielleicht ist die auch komisch. Ich weiss nicht. Ob ihr da was aus ihr herausbekommen könnt. Sie sollte genauso viel wissen wie ich. Und nachdem ich aus Deutschland entflohen war, zum Beispiel arbeitete sie, machte sie weiter Aufnahmen für meinen Vater. Von Schloß Glienicke und solche Sachen. Weil sie auch gut in Architekturfotografie war. Was sie dann später machte, ob sie, ja sie war glaube ich Lehrerin am Lette, nicht wahr?

FW: Ja genau.

WS: Also wie weit das künstlerisch zu etwas führte, weiss ich nicht. Ich muss sgaen ich war in ihrem Haus in Bayern vor vielleicht 6 Jahren oder so und da war kein einziges Bild oder Fotografie oder irgendetwas , irgendein Gerede darüber, nur das sie mich bat, um Gottes willen nicht zu erwähnen, dass sie auch einen jüdischen Großvater hatte. Das war in Bayern, wo man das in Oberbayern bis heute nicht erwähnen darf.

FW: Ja, das ist schlecht. Dann ist man ein jüdischer Saupreiß

WS: Ja, unglaublich – ein jüdischer Saupreiß! So – mach mal aus.

PAUSE –

WS: Also wenn man auf die Zeit zurückkommt, der Anfang 30er Jahre, da ist ohne Zweifel das es eine ganze Reihe von großen Fotografen gab. Das war nun mal so. Ob das Munkascy war oder der Laatsi in Stuttgart, den der Erich Balg auch kannte. Aber der spezialisierte sich nur auf Tücher, Material zu fotografieren. So wie nennt man das... Textilien. Er war Spezialist dafür so ganz besondere Einzelheiten des Materials zu fotografieren. Aber Erich Balg hatte eben ein viel weiteren Winkel oder weitere Fläche von Sachen die er machte. Das ganze Gebiet von Porträt zu Gewerbeaufnahmen, Industrieaufnahmen. Ich erinnere mich eben daran, dass er mich … ich weiss noch er schickte mich … er kam eines Tages zu mir udn er sagte, das ist überings interessant, er sagte: Du gehst jetzt in eine Fabrik und machst Aufnahmen. Und ich fiel beinahe vom Stuhl. Ich dachte, wie kann ich alleine dahin gehen. Er schickt mich dahin, wie soll ich das überhaupt machen. Das war eine Fabrik, wo sie Propeller herstellten für die Luftwaffe oder irgendsowas ähnliches. Aus Holz gemachte Propeller waren das damals noch. Und ich erinnere mich noch, wie ich mit schlotternden Knien dahin ging und ich hatte soviel Angst, aber er muss doch Vertrauen gehabt haben. Mir zu sagen: Du gehst dahin und machst das. Und das war auch so in anderen Sachen, machten wir zusammen, aber zum Beispiel weiss ich, dass er mich nach Dahlem schickte, um Innenaufnahmen eines Hauses zu machen für ihn und das war die Villa von Herrn Himmler. Und die musste ich für ihn fotografieren. Warum er da nicht kam oder warum er es nicht machte, ob er zuviel Widerwillen hatte, das ist sehr möglich, das … und ich war viel jünger und war … macht man eben diesen Auftrag, wo ich überings sah, das die Bilder, die wunderbaren Bilder in seinem Esszimmer umdrehte, konnte man immer sehen, von wo sie gestohlen waren. Der Himmler ging einfach in die Nationalgalerie und sagte: ich habe das und ich nehme das und ich nehme das … und so war das. Also solche Aufträge habe ich von Erich Balg bekommen. Ich wurde dafür nicht bezahlt, aber das muss ich auch noch erzählen. Bezahlung, na das war natürlich die, da ich ja ein Nichtarier war, das heisst also ein Mischling, durfte ich natürlich nicht angestellt werden. Sodass also in praktischen Beziehungen … was geschah ist, dass einmal im Monat oder so wurden mir 100 Mark einfach in die Tasche gesteckt. Ich kann mich nichtmehr an den Namen der Dame entsinnen, die die Büroleitung hatte, so wurde das Problem einfach auf diese Weise gelöst. Einfach mit ein bisschen Geld in die Tasche.

Vielleicht sollte ich noch folgendes erwähnen. Ich bin also in Australien, ich fing an Ende 1938. Ich war vier Jahre im Krieg als Soldat. Nachher fing ich, 1946 fing ich wieder an und war tätig bis Ende der 80er Jahre. Ungefähr um 1990 kam das größte Museum, die National Gallery of Australia in Canberra zu mir und wollten eine Austellungen meiner Fotografien machen. Ich sagte dass ich das nur unter der Bedingung machen würde, dass ich dafür Texte schreiben könnte. Weil für mich, der Hauptzweck war nicht wie schöne Bilder, Fotografien ich gemacht habe, sondern um erzieherisch zu zeigen, was so mit menschen wie mir passiert ist. Also das die ganze politische Geschichte, die “Contempora” war erwähnt, das wollte ich sagen, das musste neben irgendwelchen Bildern aus der Zeit habe ich erwähnt. Damit die Leute das lesen könnten. Und sie sagten mir zuerst, das ist Quatsch und sie machten das nur unter die Bilder, sodass niemand das lesen konnte, aber dann ging es zu den anderen Hauptstädten Melbourne und Sidney, wurde da in den Staatsgalerien gezeigt und das wurde immer besser, sodass sie am Ende so waren wie sie sein sollten, in der selben Höhe der Fotografien, da war die Erklärung. Da stand drüber, über meine Herkunft, meine Eltern, mein Vater, die “Contempora”, Erich Balg wo immer es war, das das erwähnt worden ist. Damit es einen erzieherischen Zweck hat, nicht einfach um sich Bilder anzusehen. Wie also ein Mensch so etwas überleben konnte und viel davon war dank der “Contempora”. Das andere was ich erwähnen möchte, dass im letzten Jahr war da eine Ausstellung, wieder von der National Gallery of Australia, das hiess “The Europeans – Imigree artists of Australia 1930 to 1960” . Das war also über meine Generation, die Leute die von Europa oder hauptsächlich von Deutschland flüchten mussten und was diese Australien geschenkt haben. Da waren drei Bauhausleute und da waren der Maler und der große Tischlermeister von Wien und so weiter. Zum Beispiel da war ein Programm von all den Sachen, die da während der Ausstellung, Vorträge und so, das sind alles meine Bilder, das ist ein Hamburger Architekt, der hiess Friedrich Rumberg, der war ursprünglich, der war nicht Jude, aber der war, merkwürdigerweise kam von einer Offiziersfamilie in Hamburg. Er war aber Kommunist und musste Deutschland in großer Eile verlassen. Und der wurde ein sehr großer und bedeutender Architekt und das sind alle Aufnahmen, die ich gemacht habe von der Architektur und der war dann auch ein Vortrag “Art and Architecture – Art Seminar – Exploring the european emegry artists – Influence on australien architecture and art – Architect Hans Seidler, thats the Vienice one, also the Bauhaus-Photographer Wolfgang Sievers and art-historian Ursula Hoff will discuss the influence of the post war european migration on the artistic culture of Australia”. Ursula Hoff überings war eine Kunsthistorikerin von Berlin. Also da waren zwei Deutsche und ein Österreicher. Ich dachte das sei ineteressant zu erwähnen. Das merkwürdige ist, dass durch meine Tätigkeit, die nicht irgendwie selbstlos... irgendwie … überhaupt nicht, aber weil es zur Geschichte meines Lebens gehört, also Filme usw. Usw. , die in Australien gemacht worden sind über mich, sind der Name “Contempora” und Erich Balg viel besser bekannt in Australien, als sie hier sind. Hier sind sie überhaupt nicht bekannt. Und ich finde das das unglaublichste. Und wenn ich das Leuten in Australien erzählen werde, dann wird niemand das glauben können. Das ihr keine, nichts davon hatten. Ihr sprecht von Glasplatten, was heisst denn das? Wir haben das nie benutzt. Wo er die herkriegte, ob das von Binder war oder was? Ich muss sagen, ich habe nie, ich kann mich nicht erinnern je eine Glasplatte gesehen zu haben. Weil wir immer Kodak-Filme hatten.

FW: Aber das sind die Erinnerungen eines Jungen, der da auch 7 war, vielleicht hat er auch einfach eine falsche Erinnerung.

WS: Vielleicht wurden sie auch von jemand anders übergeben, aber es können nicht seine gewesen sein.

FW: Gibt es denn von der ersten Ausstellung in Australien, die sie erwähnten, mit den texten neben den Fotos, kann man da vielleicht in Australien noch einen Katalog bestellen?

WS: Ich kann dir die interessanten Sachen, die darauf beziehende Sachen vielleicht schicken. Ich dachte ich hätte sie mit, aber dummerweise nicht.

FW: Haben Sie in ihrem späteren Leben nochmal Schüler getroffen, die mal mit ihnen zusammen gelernt haben?

WS: Da war einer, der wurde ein berühmter Filmdirektor in Hollywood. Aber ich kann mich jetzt an den Namen nicht erinnern. Aber da muss es doch die Listen geben?

FW: Es gibt eben gar nichts. Also werde mal versuchen hier das Kultusministerium in Berlin, der Senat … die müssten ja eigentlich noch Unterlagen über die Zeit haben. Und die Archive aus dem 3. Reich werden ja erst jetzt geöffnet, nach und nach. Das heisst man kann jetzt erst anfangen alte Unterlagen zu studieren und möglicherweise gibt es da noch Sachen. Soweit ich weiss mussten alle Schulen bei den Nazis angemeldet werden. Es gibt ja noch jede Mitgliedkarte von der NSDAP.

WS: Ich habe sie gesehen. Hast du sie mal gesehen?

FW: Nein.

WS: Im unterirdischen American Documentation Center. Auf der einen Seite sind alle die Karten, auf der anderen Seite in den unterirdischen Dingern sind die Kopien. Das war vor Computer. Das wurde alles doppelt gemacht. Da ist jedes Mitglied der Nazipartei drin. Heute ist es im deutschen Besitz und da kannst du nicht mehr ran. Wir konnten damals binnen 10 Minuten reingehen. Dank dieser Freundin, Regine Puschinski, die half auch, aber die Amreikaner sind da vielleicht etwas legerer in diesen Dingen, weil ich mich damals mit dieser Frage 10 Jahre beschäftigt habe. Das ist alles...

FW: Aber sie haben nichts gehört über irgendjemand anderes der gelernt hat, das der noch irgendwie erfolgreich war...

WS: Ja die Relang natürlich.

FW: Die Relang.

WS: Das ist eine, dann der Dr. Alfred Karlebach, der die Reproduktionen gemacht hat. Ist das Urban? Oder war … Der in England alle die grossen … die königliche Familie, die er alle wunderbar gezeichnet hat. Die ganze Kollektion gehört der Königin und ist in Windsor Castle. Kannst Du rausfinden wer das war, oder ob ich mich da geirrt habe.

FW: Wie war denn der Erich Balg so menschlich? Als Erscheinung? War das irgendwie...

WS: Äußerst stark. Energisch. Kein Unsinn. Wir haben einfach alle wahnsinnig gearbeitet. Die die arbeiten wollten, weil wir alle auch wussten, was für ein mann das da war. Das war nciht so ein gewöhnlicher Schullehrer oder irgendso ein Quatsch. Da hat man Respekt als junger Mann, wenn jemand sagt zu dir: Lies nicht hier so Textbücher und all so ein Quatsch. Oder: Lerne hier ob jemand englisch oder deutsch schreibt, hier bist du dazu da, so schnell wie möglich zu lernen. Das ist alles worauf es ankommt.
Und das war eben die einzigartige Sache. Die habe ich schon 1000 Mal in den australischen Schulen und Universitäten gesagt. Ich sagte: Ihr habt ja keine Ahnung, wie man sowas macht. Aber natürlich gefällt ihnen das nciht. Sie möchten so lange wie möglich so wenig wie möglich lehren. Damit sie da für immer beschäftigt sind. Aber nicht mit dem Erich Balg. Sonst hätte er auch die Sache nie angenommen, wenn er nicht gewusst hätte, er kriegt da eine Quelle von Talenten, die er ausnutzen kann. Das war ja für ihn auch gut. Warum nicht?

FW: Und er hat auch im gleichen Haus gewohnt?

WS: Ja der lebte erst einmal an der Wand vom Atelier, also es war … ging in der Weise 44, das war ein ganz langes Gebäude wo die Schule da war, die Modeabteilung, die Architektur und all das und dann auf der anderen Seite war Fotografie, da war ein sehr großer Raum wo das Atelier war und dann war ein kleinerer Raum auch zu dem Balkon hin, wo der Erich Balg seinen Schreibtisch hatte, den ich überings von ihm gekauft habe, das war nämlich Thonet-Möbel. Er wollte einen neuen haben und ich kaufte ihn den ab und den habe ich noch heute in meinem Haus in Australien. Das war typisch Thonet. Du kennst doch, wer das war. Der Mann der Stühle gemacht hat, aber der hat auch Schreibtische gemacht. Also ich habe seinen Schreibtisch zu Hause.
Und auf der anderen Seite, da war ein Flur mit Regalen, wo die Studenten ihre Sachen unterbringen konnten. Und dann war da eine Dunkelkammer zum Entwickeln der Filme. Da waren so drei Vergrößerungsapparate drin. Alles Kodak. Wo die Studenten eben die Vergrößerungen machen konnten. Wo ich natürlich sehr viel gearbeitet habe. Mitten in die Nacht rein. Und dann kam an der Atelierwand, da war ein kleines Atelier von dem Graphischen Künstler Biedermann und dann kam Erich Balgs Wohnung. Nr. 45. Und das war eine ziemlich große Wohnung. Manchmal, wenn er wegging hatte ich einen Schlüssel dafür, um zu sehen ob da Post war usw.

FW: Und seine Frau, war die auch in der Schule?

WS: Nein die war nicht in der Schule, aber die war reizend und wir liebten sie sehr. War sie Fotografin?

FW: Sie war auch Fotografin.

WS: Dessen war ich mir überhaupt nicht bewusst. Ob sie das erst später gelernt hat?

FW: Sie haben sich auf der Fotoschule dort kennengelernt in München. Sie waren beide zusammen auf der Fotoschule.

WS: Waren sie auf der Fotoschule?

FW: Ja.

WS: Ich wusste überhaupt nicht, dass er auf einer Fotoschule war.

FW: Er war in München.

WS: Kam er ursprünglich aus München?

FW: Nein er kam aus Berlin. Aber es war so, dass sein Vater sein Vater sehr jung starb. Sein Vater war Hoffotograf und hatte am Alexanderplatz ein Fotografieatelier. Als er starb wurde er 11, der Erich Balg. Und das verwaltete dann jemand und er hatte sehr jung die finanziellen Mittel, um nach München zu gehen und Fotografie zu lernen. Und da traf er wohl seine spätere Frau.

WS: Aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich sie je im Atelier gesehen hätte. Es könnte eine falsche Erinnerung sein. Aber ich kann mich nicht daran erinnern.

FW: Aber später nach dem Krieg hat sie dann im Atelier immer geholfen.

WS: Ja, das kann ich verstehen. Aber ich glaube nciht, dass sie … erstmal als ich sie kannte war sie schwanger. Und zweitens waren das nicht die Jahre für sie um tätig zu sein. Denn er arbeitete ungeheuer natürlich jeden Tag. Wenn ich mir vorstelle bis Mitternacht. Sie musste zusehen, dass er was anständiges zu essen bekam. Wie das damals so war.
Enough is enough is enough….

FW: Vielen Dank.

[Ende 2. Band]

Das Interview wird im genauen Wortlaut wiedergegeben. Bedingt durch die Gesprächsform ist der Lesefluss dadurch teilweise gestört.