de en

Artur Gläser, “Kunst aber kommt von Können!” In: Kodak Aktiengesellschaft Berlin (Hrsg.), "Photographik" Issue 14 1937, p.18

Auch der Lichtbildner hat, zum mindesten unbewußt, zunächst den schöpferischen Einfall, die innere Vorstellung, den schaffensbegierigen Willen: so und so und nicht anders möchte ich, muß ich den Gegenstand auf die Platte bannen! Alles Künstlerische wächst nun einmal aus dem Menschen, wenn auch oft die Dinge den Geist anzuregen und zu entzünden scheinen. Den Meister aber erkennt man daran, daß er die Handhabung des Werkzeugs, die Überwindung des Werkstoffs fast mühelos sicher beherrscht, daß es ihm in hundert von hundert Fällen gelingt, dem Erschauten vollkommenen Ausdruck zu geben. Wenn Sie zwei abgegriffene Schlagwörter gestatten: Idee und Technik müssen einander durchbluten und verwachsen zu ursprünglicher Einheit.
Das gilt auch für das Gebiet der photographischen Darstellung in wortwörtlichem Sinn. Nur ist hier der Kampf mit den technischen Mitteln ja weitaus schwieriger als der des Malers etwa mit Zeichenstift, Pinsel und Palette, deren Verwendung schon seit Jahrtausenden geläufig ist. In der Photographie bringt jeder Tag neue Erfindungen, neue Anforderungen; die Tücken und Zufälle sind bei diesem »Malen mit Licht« fast unberechenbar. Vielleicht rührt daher die gewisse Kluft, an deren Oberbrückung die besten Lichtbildner unserer Zeit arbeiten: auf der einen Seite rein künstlerische Naturen, die absichtlich oder zwangsläufig im Handwerklichen unsicher bleiben — auf der anderen ein Handwerk von achtbarstem Rang, in dem man aber den Funken künstlerischer Gestaltungskraft anfachen möchte.
Das sind Andeutungen — und nicht nur zufällig kommt man wieder auf dieses oft durchdachte, viel erörterte Thema, wenn man im Atelier Erich Balgs in den Mappen stöbert und bei der Betrachtung seiner Arbeiten verweilt. Hier ist die große Einwerdung, von der wir sprachen, spielerisch fast wie alles wirklich Gekonnte, erreicht! Für diesen Lichtbildner, der im Atelier seines Vaters die Photographie von klein auf gleichsam einsog, der durch strenge Schulung und vielseitige Arbeit das Handwerkliche kennenlernte in allen Verzweigungen — für ihn ist das Technische längst selbstverständlich geworden, weil er es meisterhaft bis ins Letzte beherrscht. Auch das ist bezeichnend für seine Eigenart: er hat sich nicht auf irgendein Darstellungsgebiet beschränkt, etwa nur auf das Porträt, die Materialaufnahme oder dergleichen. Alle Dinge sind ihm gleich wertvoll und anregend, am liebsten läßt er die Aufgabe an sich herantreten in der guten alten Form des Auftrags, der Bestellung — und nun reizt es ihn, jede, auch die kleinste und unscheinbar abseitigste Aufgabe zu lösen im Sinn technischer Vollendung, anspruchsvollsten Geschmacks und künstlerischen Schwunges. Immer ist es die Sache, das Photographieren an sich, der Drang, zu schauen, einzufangen, zu gestalten — und es gibt für ihn nichts anderes als das!